Kirchentausch, Glaubensgespräche rund um den Ökumenischen Kirchentag auf der Gass', Gottesdienste auf der Wiese – auf vielerlei Weise haben sich an diesem Wochenende auch Frankfurter Gemeinden an dem Großereignis, das angesichts der Pandemie auf „digital und dezentral“ zusammengeschmolzen ist, beteiligt. Während das meiste während der vier Tage des ÖKTs online zu verfolgen war, lag am Samstagabend auf „dezentral“ der Schwerpunkt: Neben den vier zentralen ÖKT-Gottesdiensten luden bundesweit und in der ganzen Stadt Frankfurt Gemeinden und Pfarreien zu Gottesdiensten ein, die „ökumenisch sensibel“ gestaltet wurden und in denen die individuelle Gewissensentscheidung in Bezug auf die Teilnahme an Eucharistie oder Abendmahl geachtet wurde.
Pfarrerin Silke Alves-Christe von der Evangelischen Dreikönigsgemeinde beispielsweise, hielt die Predigt in der katholischen Kirche St. Wendel am Sachsenhäuser Berg, ein paar hundert Meter von ihrem Pfarrhaus entfernt. „Auf die Freigabe habe ich 40 Jahre gehofft“, sagte sie in ihrer Predigt mit Blick auf die Vorgaben für diesen ÖKT-Gottesdienst. Bei Ursulinen ist die evangelische Theologin zur Schule gegangen. Nach der Konfirmation und der Zulassung zum Abendmahl rang sie damit, dass die Kommunion ihr auch fortan verwehrt sein sollte. Eine in der Küche der Schule tätige Schwester sei länger in sich gegangen und habe schließlich mit ihr eine Hostie geteilt. Alves-Christe, Pfarrerstochter, berührte das zutiefst und doch wollte sie mehr wissen, wandte sich damals an einen katholischen Theologieprofessor. Es sei unhöflich zur Eucharistie zu gehen, sei ihr beschieden worden, berichtete die Pfarrerin.
Jesus ist der Einladende
Eine Antwort, die sie bis heute nicht überzeugt. Jesus sei schließlich gelegentlich „gar nicht so zimperlich“ gewesen, wenn er es für angebracht hielt, Konventionen zu überschreiten. Ein zentraler Gedanke in Alves-Christes Predigt aber auch: Jesus hat das letzte Abendmahl in einer Situation der Ungewissheiten abgehalten. Wer bin ich? Wer wird ihn verraten?, solche Fragen trieben die Anwesenden damals um. Von „Zwölf Zweiflern“ sprach Alves-Christe, die zum Schluss ihrer Predigt mit Beifall bedacht wurde. Gewiss erscheint der Pfarrerin jedoch, dass bei Eucharistie und Abendmahl, „Jesus der Einladende ist“, nicht die Kirchen.
Wie andernorts wurde auch in der katholischen Kirche St. Wendel „ökumenisch sensibel“ die Eucharistie gefeiert. Pfarrer Uwe Michler und Pastoralreferent Martin Kestler gaben die Hostien aus. Die Konfessionszugehörigkeit der Menschen, die sich einreihten, um sie zu empfangen, spielte keine Rolle. Pfarrerin Alves-Christe empfing die Hostie direkt am Altar von Pfarrer Michler.
In Frankfurt-Schwanheim wurde der Gottesdienst zum ÖKT auf den Sonntag gelegt. Pfarrerin Katja Dubiski machte sich morgens auf zur katholischen Mauritiuskirche, die Altarbibel, den Talar und das Abendmahlgeschirr im Gepäck. Ministrantengewänder, alles für die Eucharistie und anderes wurden derweil zu „ihrer“ evangelischen Martinuskirche gebracht. „Kirchentausch“, war in dem Stadtteil anlässlich des Ökumenischen Kirchentags verabredet worden: „Ich habe einen evangelischen Gottesdienst in einer katholischen Kirche gefeiert“ – und umgedreht war Mauritius zu Gast in ihrer Gemeinde, erzählt die Theologin.
Über die Bibelstelle Johannes 1,39 hat Dubiski gepredigt, dort heißt es „Kommt und seht“, sie habe die Menschen eingeladen, sich umzuschauen, „so ein Raum macht was mit einem“. Sie habe angeregt, mit den Augen und mit dem Herzen zu schweifen, die eigene Biographie, Hoffnung und Enttäuschung wahrzunehmen. Beim Blicken auf die Anwesenden sei sie hängengeblieben an der Familie einer Konfirmandin, „da weiß ich, dass die Eltern unterschiedliche Konfessionen haben“. Sie in diesem besonderen Gottesdienst beieinandersitzen zu sehen, sei schon etwas Besonderes gewesen, sagt die Pfarrerin. In Schwanheim gibt es traditionell eine gute ökumenische Zusammenarbeit. Soweit Dubiski weiß, ist jedoch erstmals sonntags die Kirche getauscht worden. Als sie mittags in ihre Martinuskirche zurückkam, „hat es nach Weihrauch gerochen“. Für Dubiski hat es gepasst – und muss nicht das letzte Mal gewesen sein.
Unterwegs auf Abstand in Fechenheim I Foto: Rolf Oeser
Unterwegs auf Abstand in Fechenheim I Foto: Rolf Oeser
„Glaube to go“
Nicht zum Gottesdienst, sondern zu Zweiergesprächen wurde am Samstagabend in Fechenheim und im Riederwald eingeladen. „Draußen zu zweit - statt mit vielen in Räumen“, so Pfarrer Arne Zick von der Evangelischen Kirchengemeinde Fechenheim namens der Vorbereitungsgruppe. Um 18.30 Uhr war Treffpunkt in der katholischen Herz-Jesu-Kirche, von dort aus machten sich Zweier-Gruppen mit einem Bibeltext auf den Weg zu einem Mainspaziergang. „Der Text kann Anlass sein über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen. Vielleicht hat eine oder einer beim digitalen Kirchentag teilgenommen und mag über die Eindrücke erzählen“, so die Anregung. Menschen, die nicht gut zu Fuß unterwegs sind, hatten die Möglichkeit, in der Kirche zum Gespräch zu verbleiben, wo alle mit einem Abendgebet schlossen.
„Die Anwesenden haben übereinstimmend berichtet, dass sie es genossen haben, so miteinander unterwegs gewesen zu sein und mit einem zum Teil wildfremdem Menschen über den eigenen Glauben ins Gespräch zu kommen“, erzählt Pfarrer Zick. Die katholische Pastoralreferentin Gabriela von Melle fasste ihren Eindruck der Rückmeldungen so zusammen: „Der Geist hat spürbar gewirkt und uns zusammengebracht. Für mich war es ein ermutigender Abend, der den ohnehin schon starken ökumenischen Geist im Frankfurter Osten noch einmal Schub gegeben hat und Lust auf das weitere gemeinsame Wirken in die Stadtteile hinein macht.“
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