Nicht nur über christliches Leben, auch über Soziales und die Bildungsstätte Anne Frank informierten sich an diesem Wochenende zwei Gästegruppen, die von der Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Frankfurt anreisten.
„Ein idealer Ort, um eine Führung zu starten“, begrüßt Pfarrer Jeffrey Myers die acht Delegierten des Ökumenisches Rates der Kirchen (ÖRK) in der evangelischen Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg. Einheimische, Touristen, Brautleute, sie alle tummeln sich auf dem Platz zwischen Rathaus und Gotteshaus. Von Karlsruhe aus, wo bis zum 8. September rund 4000 Christinnen und Christen aus aller Welt tagen, sind an diesem Wochenende zwei Gruppen auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Frankfurt und des Reformierten Konvents der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) angereist, um ins Gespräch zu kommen, um einen Eindruck vom hiesigen Glaubensleben zu gewinnen.
Trauung zweier Frauen Anlass zum Austausch
Ein zufälliger Einblick: Pfarrerin Anne Daur-Lyrhammer, Leiterin des Evangelischen Frauenbegegnungszentrums EVA, wuselt an dem Morgen in der Nikolaikirche hin und her – um die Mittagszeit ist die Trauung von zwei Frauen geplant. Kurz erläutert die Pfarrerin ihre Arbeit im EVA und den anstehenden Gottesdienst. Jennifer S. Leath erfreut die Trauung, sie bricht das Schweigen in der Runde. Die in Harvard studierte und in Kingston, Ontario, lehrende Theologin hatte Anfang der 2000er ihr Comingout. Ob an der Hochschule oder als Pastorin der African Methodist Episcopal Church ringt sie um eine Liberalisierung in Fragen von Religion und Sexualität. Der Wechsel an die Universität ist für sie keine Flucht: „Meine Kirche ist immer noch mein Zuhause“, sie kann sich gut vorstellen, auch wieder als Pastorin zu arbeiten.
In alle Richtungen schwirren an diesem Wochenende von Karlsruhe Gruppen aus, um religiöses Leben in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz kennenzulernen. Unter anderem aus Indien, dem Libanon, der Ukraine kommen die Gäste am Samstag. Vertreter:innen des Internationalen Konvents Rhein-Main begeben sich mit auf die Tour durch die Innenstadt, nehmen teil an dem Essen, zu dem der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz in den Dompfarrsaal eingeladen hat, besuchen das Bibelhaus Erlebnis Museum oder die Bildungsstätte Anne Frank. Tags darauf reisen Besucher:innen unter anderem aus Äthiopien, Indien, USA und Tansania an den Main. Sie lernen sozialdiakonische Arbeit im Bahnhofsviertel kennen, besuchen die Französisch-reformierte Gemeinde, in der ein interkulturelles Gottesdienstleben gepflegt wird.
ACK lädt zu „Schöpfungsgottesdienst"
„Mit diesem Programm wollten wir Gelegenheit geben, christliches Leben und Wirken kennenzulernen. Aber auch Anlässe zu Austausch und Diskussion bieten. Aufeinander zugehen, einander verstehen, aber auch Unterschiede in den Auffassungen deutlich zu machen, sehe ich als zentrale Aufgaben, wenn ich an die internationale ökumenische Zusammenarbeit denke. In Frankfurt und Offenbach erleben wir zunehmend eine internationale Zusammensetzung der Christenheit und da kommt es genau darauf auch an“, sagt der evangelische Stadtdekan Achim Knecht.
Pfarrerin Annegreth Schilling, Vorsitzende der Frankfurter ACK, freut es, dass sie am Samstagnachmittag Mitglieder der Reisegruppe beim Schöpfungsgottesdienst im Grüneburgpark begrüßen konnte. „Ich bin so glücklich, dass Delegierte von der Vollversammlung zu uns gekommen sind. Das ist für uns ein großes Privileg und stärkt auch die ökumenische Arbeit in Frankfurt. Bewegt hat mich beim Schöpfungsgottesdienst der Schlusssegen, den ein junger indigener Mann aus Hawaii für uns in seiner Muttersprache gesungen hat. Da spüre ich: Gottes Geist verbindet Menschen, egal welche Herkunft, Konfession oder Hautfarbe jemand hat.“
Eindrücke aus der Ukraine
Rostyslav Vorobii, Priester aus Kiew, ist am Samstag mit auf Tour. Der Abgesandte der Orthodoxen Kirche der Ukraine wägt die Worte. Bei Nennung des Namens des Moskauer Patriarchen Kyrill zuckt er die Achseln. Zu Politik äußere er sich nur privat. Und wenn es um Politik geht, scheut der 38-Jährige deutliche Worte nicht: „Der Westen versteht die Russen nicht“. Lange habe man dort nicht kapiert, dass Verträge mit ihnen oft nicht mal das Papier wert waren. In der Kirche, in den Gottesdiensten, da spreche er von der Botschaft Jesu, „da geht es um Reinigung, spirituelle Unterstützung“, sagt Vorobii.
Seine Kirche in Kiew zählt zu den großen Gotteshäusern, zu Beginn des Krieges beherbergten sie dort auch Menschen, „jetzt sind sie wieder in ihren Appartements“, erzählt Vorobii. Die Zahl der Gottesdienste habe in Kriegszeiten zugenommen, berichtet der Priester. Die Runde in der Nikolaikirche bittet der Ukrainer um Gebete, „damit helfen sie uns sehr“. 2008/2009 hat Rostyslav Vorobii ein Jahr in Bossey, im Ausbildungsinstitut des Ökumenischen Rates der Kirchen unweit von Genf, verbracht. „Das bedeutet mir sehr viel“, sagt er. Unabhängig voneinander äußern er und Leath mit Blick auf das Karlsruher Treffen des Weltrates der Kirchen einen nahezu deckungsgleich formulierten Satz: „Entscheidend sind die Papiere“.
Die Bereitschaft, kirchliche Positionen zu gleichgeschlechtlicher Liebe zu bedenken, wachse oder zumindest der Dialog darüber, erlebe sie dieser Tage, sagt die nordamerikanische Theologin. Sie ist gespannt, was schließlich formuliert wird. Vorobii wird auch hier nicht konkret, aber gespannt ist er, was schließlich am Ende des ÖRK-Treffens in Karlsruhe schriftlich festgehalten wird.
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