Aufgeheizt ist die Stimmung am frühen Donnerstagnachmittag an der Messe. Weil im Kap Europa ab 14 Uhr die fünfte und letzte Synodalversammlung des Synodalen Weges tagt, sind zahlreiche Demonstrantinnen und Demonstranten gekommen, und sie machen lautstark auf ihre verschiedenen Meinungen aufmerksam. Die Gruppen, die mehr Freiheiten fordern - Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Maria 2.0, „Wir sind Kirche“, Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) – sind in der Überzahl. Sie singen „Gottes Liebe ist wunderbar“ und tanzen, feiern das Leben, skandieren zwischendrin immer wieder: „Die Welt ist bunt – Gott sei Dank!“ Doch da sind auch die Anderen. Ernste Männer, die gekleidet sind wie Vertreter einer Burschenschaft, mit dunkelroten Scherpen, schwenken Fahnen, auf denen der Name ihrer ultrakonservativen Vereinigung steht: „Tradition, Familie und Privateigentum“ ist dort aufgestickt zu lesen. Sie beten, verstärkt durch Mikrofon und Lautsprecher, immer wieder das Vaterunser. Unterstützt werden sie von Frauen, die Schilder mit dem Schriftzug von Maria 1.0 in die Höhe und Rosenkränzen in den Händen halten. Die Polizei und Ordnerinnen und Ordner halten sich diskret im Hintergrund, zu körperlichen Auseinandersetzungen kommt es nicht.
In letzter Minute überzeugen
Die lautstarken Demonstrationen vor dem Kap Europa zeigen gut, wie aufgeheizt die Stimmung zu Beginn der fünften Synodalversammlung ist. Denn jetzt geht es um alles. Jede Aktivistin, jeder Demonstrant versucht, den Synodalen ein Flugblatt mit auf den Weg zu geben, um Unentschlossene noch in letzter Minute zu überzeugen. Immerhin bleibt es ruhig, auch wenn die zunehmend aggressiver klingenden Sprechchöre phasenweise ans Aufeinandertreffen zweier verfeindeter Fußballvereine erinnern. „Hier wird sichtbar und hörbar, welche gegensätzlichen Meinungen in der Diskussion aufeinandertreffen“, sagt Monika Humpert von Maria 2.0. „Die einen, die sich einfache Lösungen wünschen. Und die anderen, die einen freien Geist suchen.“ Marianne Brandt, ebenfalls Maria 2.0-Aktivistin und Vorsitzende der Stadtversammlung der Frankfurter Katholikinnen und Katholiken, glaubt: „Vermutlich ist hier noch weniger los als im Saal nachher. Die Synodalen haben es aber auch viel schwieriger, da muss man sich benehmen und kann sich nicht anbrüllen wie hier draußen.“
Dass dem Einen oder der Anderen zumindest vor der Tür mittlerweile zum Brüllen zumute ist, ist nachvollziehbar, immerhin wird seit mittlerweile mehr als drei Jahren über Themen wie Weiheämter für Frauen oder eine Freiwilligkeit des Zölibats gestritten. Nun steht das große Finale an: Die letzte Versammlung, die nun bis Samstag in Frankfurt läuft, wird zeigen, wohin der Reformprozess führt – und ob die Kraft, mit der er gestartet ist, bis hierhin gereicht hat.
Für einen Platz in der Kirche
Richtig viele Aktivistinnen konnte diesmal die Katholische Frauengemeinschaft aktivieren. „Es sind etwa doppelt so viele Frauen gekommen, wie sich im Vorfeld bei uns angemeldet haben, ich schätze, bestimmt 100“, sagt kdf-Pressereferentin Barbara Stöckmann. „Das zeigt, wie wichtig das alles ist.“ Die Frauen verteilen pinke Sitzkissen mit der Aufschrift „gleich+berechtigt“ an die Synodalen – der Slogan ihrer aktuellen Aktion. „Damit wollen wir ausdrücken, dass wir einen Platz in der Kirche haben wollen“, erklärt Stöckmann. Die stellvertretende Bundesvorsitzende und Synodale Prof. Agnes Wuckelt freut sich, dass Frauen aus den Bistümern Limburg, Aachen, Fulda, Essen, Hildesheim, Köln, Mainz, Trier und weiteren nach Frankfurt gekommen sind, um ihre Position deutlich zu machen. Zu den Gegendemonstranten sagt sie: „Auch sie sind ein Teil unserer Kirche. Aber sie sind nicht zu Diskussionen bereit. Vorhin haben Frauen mit ihnen das Gespräch gesucht, eine Frau wollte mit ihnen beten, doch sie haben sie weggeschickt. Wenn von Spaltung die Rede ist, wird hier deutlich, von welcher Seite sie ausgeht.“
Auch Monika Humpert und Marianne Brandt sind nicht einverstanden damit, dass die rechten Gruppen katholische Gebete für sich vereinnahmen und Vaterunser und Ave Maria so beten, als seien sie ein Alleinstellungsmerkmal für ihre Positionen. „Dadurch sprechen sie uns das Katholischsein ab – das ist nicht in Ordnung“, finden die beiden Frauen. Einige junge Menschen vom BDKJ betrachten die Männer mit ihren Fahnen und Lautsprechern kritisch. „Das sind keine Leute, denen ich normalerweise begegnen möchte“, sagt eine junge Frau. „Es ist aber vielleicht auch nicht der richtige Rahmen, hier miteinander in Diskussionen zu gehen. Dafür gab und gibt es ja den Synodalen Weg.“ Dass ihre BDKJ-Gruppe so laut und motiviert Stimmung macht, freut sie – auch wenn sie nicht weiß, wie viel sie sich vom Ausgang des Synodalen Weges erhoffen darf. „Selbst im positivsten Fall wird es immer noch zu wenig sein“, sagt sie. „Es werden nicht alle unsere Forderungen erfüllt, aber wir fordern trotzdem weiter. Denn ein Zwischenschritt ist besser als nichts.“
Performance im Dom und Gottesdienst in der Friedrich-Ebert-Anlage
Verschiedene Gruppen begleiten die laufenden Beratungen mit Aktionen und Veranstaltungen. Unter anderem gibt es unter dem Titel „verantwort:ich“ auf Initiative von Synodalen eine „künstlerisch-existentielle Performance“ im Bartholomäus-Dom, die am Freitag, 10. März, für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Damit soll ein wirksames Zeichen der Verantwortungsübernahme für eine Veränderung in der Haltung und im Handeln in der katholischen Kirche gesetzt werden. Die Performance thematisiert in einer „Tanzcollage des Leids, der Schuld und des Wegsehens“ die Missbrauchstaten und ihre Vertuschung, die Anlass des Synodalen Weges sind. Mit einer großflächigen Installation im gesamten Dom soll auf systemische Verstrickungen hingewiesen werden. Synodale und Betroffene kommen zu Wort und stellen sich der Frage nach einem möglichen Ausweg aus der Verstrickung. Die Katholische junge Gemeinde (KjG) Limburg lädt zum Open-Air-Gottesdienst nach Frankfurt, und zwar ebenfalls am Freitag, 10. März, um 19 Uhr. Der Gottesdienst zum Thema „Wind of Change“ findet statt in der Friedrich-Ebert-Anlage am Weiher des Messekreisels. Alle Teilnehmenden sind im Anschluss ins Pfarrheim der Gemeinde St. Gallus in der Mainzer Landstraße 299 eingeladen, um dort ins Gespräch zu kommen und den Abend ausklingen zu lassen.
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