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27. Jan 24 I "Frankfurt-Sein in der Kirche auch leben"

Aktualisiert: vor 6 Tagen




Mit einem feierlichen Gottesdienst, lateinischen Gesängen und viel Tradition ist am Samstag, 27. Januar 2024, im Bartholomäusdom an den Todestag Karls des Großen erinnert worden. Gastbischof war in diesem Jahr Vincenzo Viva aus Albano in Italien, der Frankfurt von Herzen verbunden ist.


Das heutige Europa braucht einen neuen Impuls der Humanisierung und der Menschlichkeit. Das sagte Vincenzo Viva, Bischof der italienischen Diözese Albano und Gastzelebrant des diesjährigen Karlsamts, in seiner Predigt am Samstagabend im Bartholomäusdom. „Die globalen Krisen, mit denen wir heutzutage konfrontiert sind, wie Kriege, nationaler Egoismus, Migration, wachsende Ungleichheiten, Umweltkatastrophen, fordern uns dazu auf, erneut aufzubrechen, als Europäer, aber mit einem breiteren Wertesystem und mit neuer Zuversicht“, so Viva. Menschlichkeit bedeute heute, Lösungen zu finden und dabei der Versuchung zu widerstehen, sich selbstbezogen auf die eigene Identität zurückzuziehen und selbst für überlegen zu halten. „Unsere Aufmerksamkeit muss sich heute auf den Aufbau einer größeren Menschheitsfamilie richten, die mehr Völker und menschliche Situationen umfasst als in der Vergangenheit“, so der Bischof. Nötig seien dafür ein verfeinertes Hören auf die Realität und auf Verschiedenheiten, eine Suche nach gemeinsamen Werten sowie neue Wege der Brüderlichkeit und der Harmonie mit der Schöpfung. Die Predigt, für die es im Dom langanhaltenden Applaus gab, ist in gesamter Länge unten zu finden.

Erneut war der Dom bis auf den letzten Platz gefüllt, als Pia Arnold-Rammé, gemeinsam mit Stadtdekan Johannes zu Eltz Leitung der katholischen Region Frankfurt, die mehr als 600 Anwesenden begrüßte. Nach dem feierlichen Einzug der Ordensleute aus den katholischen Ritterorden und Ordenskongregationen, die wie immer von zahlreichen Schaulustigen vor dem Dom gesäumt wurde, begrüßte der Limburger Bischof Georg Bätzing, gemeinsam mit dem Stadtdekan Kozelebrant, den Gastbischof. Während des gut zweistündigen Gottesdienstes gab es eindrucksvolle Musik der Frankfurter Dombläser sowie von Vokalquartett und Choralschola St. Bartholomäus, Gesang von Domkantorin Hermia Schlichtmann und Domkantor Johannes Wilhelmi sowie Orgelspiel von Dommusikdirektor Andreas Boltz unter Leitung von Bezirkskantor Peter Reulein.  Marianne Brandt und Monika Humpert aus dem Vorstand von Stadtsynodalrat und Stadtversammlung der Frankfurter Katholik:innen, waren als Lektorinnen eingebunden.


Aufgeschlossenheit und Offenheit


Jedes Jahr findet das Karlsamt am letzten Samstag im Januar statt – und immer ist ein anderer europäischer Bischof zu Gast. Vincenzo Viva bildete dabei allerdings eine Ausnahme, denn er ist nur zum Teil Gast: Der heutige Bischof von Albano wurde 1970 in Frankfurt geboren, wuchs in Rödelheim auf und verbrachte die ersten 16 Jahre seines Lebens in der Stadt am Main. Da konnten weder Stadtrat Bernd Heidenreich, der Bischof Viva im Namen der Stadt am Nachmittag im Kaisersaal des Römers begrüßte, noch Bischof Georg Bätzing im Dom widerstehen, den Gast als „Frankfurter Bub“ zu bezeichnen.

Wie sehr das zutrifft, zeigte sich in den herzlichen Worten, die Bischof Viva über „seine“ Stadt („unser Frankfurt“) zu sagen hatte. Seiner damaligen Gemeinde St. Antonius in Rödelheim, die heute zur Pfarrei St. Marien gehört, ist er bis zum heutigen Tag von Herzen verbunden, das wurde im Dom, aber auch am Nachmittag beim städtischen Empfang und beim anschließenden Domgespräch im Haus am Dom mit Direktor Joachim Valentin deutlich, bei dem Viva erzählte: „In St. Antonius wurde mir ganz konkret gezeigt, wie man das Wort Gottes in unserer modernen Zeit leben kann.“ Unter anderem war Vincenzo Viva später im Leben acht Jahre Regens eines Missionsseminars mit hunderten von Seminaristen und Priestern der jungen Kirchen – „und ich glaube, dass ich diese Aufgabe mit dem Frankfurter Geist der Aufgeschlossenheit und Offenheit erfüllt habe.“


Diesem Frankfurter Geist begegnet der italienische Bischof natürlich bei seinen regelmäßigen Besuchen am Main. „Ich fühle mich als Frankfurter und habe auch das Bedürfnis, öfter nach Frankfurt zu kommen“, sagte er auf die Frage Valentins, was es ihm bedeute, in diesem Jahr das Karlsamt zelebrieren zu dürfen. Leider könne sein Vater, der 1997 als erster Italiener für die CDU ins Frankfurter Stadtparlament gewählt wurde, nicht mehr erleben, wie der Sohn das Karlsamt feiere, denn er starb vor fast zwei Jahren. Viva betonte, er komme nicht nur immer wieder nach Frankfurt, „um Rippchen und Sauerkraut, grüne Soße und Handkäs zu essen, sondern auch, um diese Straßen zu sehen, durch die ich bis zum 16. Lebensjahr gelaufen bin.“ Es sei ihm ein Anliegen, mitzuerleben, wie die Stadt sich verändere. „Ich habe dieser Stadt gegenüber ein Gefühl der Dankbarkeit, ich spüre, dass die Lebenserfahrung hier in Frankfurt in mir weiterlebt.“ Die Anwesenden beim Domgespräch brachte er zum Schmunzeln mit folgender Anekdote: Ein Freund habe ihm mal gesagt, er sei wie ein Auto mit einer italienischen Karosserie, aber mit deutscher Technologie.


Holpriger Start in Italien


Es sei für ihn nicht leicht gewesen, als seine Eltern damals entschieden, zurück nach Italien zu gehen. Für ihn, der in Frankfurt fest verwurzelt und in St. Antonius auch Messdiener war, ein Bruch im Leben. „Der Übergang nach Italien war auch von der Schule her ein großes Problem, ich hatte Schwierigkeiten mit der Sprache.“ Nach dem Abitur in Italien ging er zum dortigen Pfarrer und sagte, er wolle Priester werden. In einem Seminar in Rom studierte Viva Philosophie und Theologie, fand besonders Gefallen an der Moraltheologie, unterrichtete auch Bioethik und fand immer, sein Frankfurter Hintergrund ermögliche es ihm, auf Menschen zuzugehen und andere Perspektiven zu verstehen: „Dabei ist ein gewisser Pluralismus von großem Nutzen gewesen.“

Durch die Migrationsgeschichte seiner Familie habe er sein ganzes Leben lang in zwei Welten gelebt, räumte Viva ein: „Wichtig ist vor allem, dass man als Migrantenkind diese beiden Welten annimmt und sie anerkennt.“ Seine eigene Geschichte hilft ihm auch dabei, den Blick auf die Weltkirche weit zu halten. „Auch wir haben in Italien Katholikinnen und Katholiken mit Migrationsgeschichte, zum Beispiel von den Philippinen und aus Lateinamerika. Diese muttersprachlichen Gemeinden dürfen keine Ghettogemeinden werden. Sie müssen integriert sein, es ist wichtig, Gelegenheiten zum gemeinsamen Gespräch und Gottesdienst zu finden.“


Europäische Kirche hat besondere Aufgabe


Unterschiede gebe es, das schon. Viva sagte, es sei wichtig, die katholische Kirche als Harmonie der Differenzen zu sehen. „Wir brauchen sehr viel Geduld, aber wir dürfen nicht darauf verzichten, neue Wege zu schlagen, neue Meinungen zu wagen. Ich glaube, dass die europäische Kirche diese besondere Aufgabe hat.“ Wichtig sei es, diesen Weg nicht alleine zu gehen, sondern die Anderen, die Weltkirche mitzunehmen. Dabei dürfe die Kirche auch das Band zur Gesellschaft nicht verlieren, selbst wenn es immer schwieriger werde, Menschen anzusprechen.

Von Joachim Valentin auf die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihre rechtsgerichtete Regierung angesprochen, sagte Bischof Viva, es gebe immer die Gefahr, Identitäten zu übertreiben. „Die Frage der Migration ist eine Große, wir als Italiener fühlen uns ein wenig verlassen.“ Die Grenzen Europas seien im Mittelmeer, das mittlerweile der größte Friedhof Europas geworden sei. „Da können wir nicht wegschauen, aber eine Lösung dazu kann nur europäisch gefunden werden. Niemand sollte seine Nationalinteressen voranstellen, man muss als EU-Gesellschaft Antworten finden.“

Hat er auch einen Rat für die katholische Kirche in „seinem“ Frankfurt? „Was ich mitgeben möchte ist, dass wir unser Frankfurt-Sein in der Kirche auch leben sollten. Offenheit, Pluralität, Fleiß, positiv auf die Zukunft schaut. Man darf hoffen, dass wenn man sich anstrengt, auch etwas dabei herauskommt.“ Auf die Kirche übertragen bedeute das, dass man noch mehr auf die Universalität der Kirche vertrauen sollte – „denn es gibt noch viel zu lernen, auch von denen, die weit weg sind.“


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