„Christiane Florin spricht Klartext. […] Es ist eine Zumutung. Allerdings eine heilsame und eine, die bestens verständlich daherkommt.“ Das sagte die Theologin Julia Knop, Professorin für Dogmatik an der Universität Erfurt, in ihrer Laudatio zum Walter-Dirks-Preis 2023. Dass Dr. Christiane Florin den Walter-Dirks-Preis erhalte, sei großartig, bemerkte Knop: „Es ist eine wohl verdiente Auszeichnung für Christiane Florin und ein starkes Signal für engagierten und sorgfältigen Journalismus im Dienst von Wahrheit und Gerechtigkeit in Kirche und Gesellschaft.“ Unten kann die Laudatio in ganzer Länge nachgelesen werden. Florin erhielt den Preis, der alle zwei Jahre im Gedenken an den bedeutenden Journalisten und Publizisten Walter Dirks (1901-1991) vom Haus am Dom und dem Haus der Volksarbeit vergeben wird, weil sie laut Jury-Begründung „wie Walter Dirks für Geschlechtergerechtigkeit und weltweite Gerechtigkeit, insbesondere in Fragen der sexuellen Gewalt in der Kirche, eintritt und wie er Identifikationsfigur kritischer Gruppierungen im deutschen Katholizismus ist.“
Humor, der nicht resigniert
Julia Wilke-Henrich, Prof. Joachim Valentin und Jury-Vorsitzender Dr. Hejo Manderscheid übergaben den Preis, der traditionell die Form eines irdenen Hahns hat und mit 2500 Euro dotiert ist, am Samstagabend im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes mit Gesang, Orgel- und Saxofonmusik im Bartholomäusdom. Zuvor war am Nachmittag im Haus am Dom über Frauenrechte in der Kirche diskutiert worden. Katholische Frauenorganisationen nutzten die Preisvergabe, um mit Transparenten auf ihr Anliegen hinzuweisen: darauf, dass Frauen in der katholischen Kirche noch immer nicht die gleichen Rechte haben wie Männer, und primär dienen sollen. Ein Anliegen, das Christiane Florin teilt und natürlich klar benennt, mit der ihr eigenen Prise Humor und persönlichem Bezug, die man von ihr bei harten Themen gewohnt ist: „Die Mutter meiner Mutter war Mädchen für alles, in einem Kloster-Internat für höhere Töchter. Sie musste für die weiblichen Herrschaften den Boden fegen, Betten machen, Nachtöpfe auskippen. Als gute Katholikin sollte sie ihren niederen Dienst demütig lächelnd tun, das war der Platz für ein einfaches Mädchen vom Land Anfang des 20. Jahrhunderts. Höre ich heute von Kirchenmännern: ,Alle Macht ist Dienst‘, glaube ich ihnen schon deshalb nicht, weil man hochwürdigste Herren so selten bodenfegend und nachttopf-leerend sieht“, so Florin in ihrer Preisrede, die unten in ganzer Länge zu finden ist. Florin, die sich selbst als „Arbeiterin, ach was: Proletin der Wirklichkeit“ bezeichnete und Walter Dirks‘ Buchtitel „Sagen, was ist“ als „knappste, treffendste und schönste Beschreibung von Journalismus“ kennzeichnete, sagte mit Blick auf die erschütternden Missbrauchsfälle, sie frage sich, ob sie am Anfang ihrer journalistischen Auseinandersetzung mit Religion naiv gewesen sei. „Ich habe vor zehn Jahren noch nicht damit gerecht, in Interviews mit Kirchenmännern angelogen zu werden und es nicht zu merken, weil da kein Zittern in der Stimme ist. Keine verdrehten Hände, wenn die Wahrheit verdreht wird. Bedauerliche Einzelfälle, nichts geahnt, nichts gewusst – nicht befasst. Den Rest regelt der Anwalt. Jesus war Jurist“, sagte sie. „Fehler“ hätten einige Bischöfe eingestanden – und doch immer anderen die Schuld gegeben: Dem System. Dem Klerikalismus. Den Medien. Niemand habe gesagt: „Mir waren die Kinder, die Jugendlichen, die Familien nicht so wichtig. Mir war die eigene Karriere wichtiger oder die eines klerikalen Bruders wichtiger als der Schutz der Schwachen.“ Und niemand habe je öffentlich eingestanden, schlicht und einfach gelogen zu haben.
Lebenswichtig für die Opfer von Unrecht und Diskriminierung
Missstände deutlich zu benennen, eben zu sagen, was ist, begreift sie als Anspruch an ihren Beruf: „Als Journalistin bin ich nicht Anwältin der Opfer, ich bin Anwältin der Wirklichkeit. Öffentlich das Unrecht Unrecht nennen und die Lüge Lüge - das ist lebenswichtig für die Opfer von Unrecht und Diskriminierung.“ Kirchendezernent Bastian Bergerhoff begrüßte die Anwesenden im Dom im Namen der Stadt Frankfurt und nannte Florin eine „sehr würdige Preisträgerin“: „Zwischen ihr und Walter Dirks lassen sich viele Parallelen finden: Beide sagen, was ist, beide stehen für Rechte der Frauen ein, aus dem Glauben an Gleichberechtigung heraus, und beide stehen auch für Kritik an kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen“, sagte Bergerhoff. Kritik und Streit seien in einer Demokratie unbedingt notwendig, damit Probleme nicht nur benannt würden, sondern auch behoben werden könnten. Sagen, was ist – das tut Christiane Florin und macht sich damit nicht immer nur Freunde. Entsprechend ist in der Jury-Begründung von einer „streitbaren Christin“ die Rede, „die über viele Jahre kreativ, investigativ, mit Humor und Ironie und viel Herzensengagement für Frauenrechte in der Kirche stritt, schrieb und schreibt; die in ihrer journalistischen Arbeit immer kirchenkritisch wie kirchenloyal für Christenrechte in Kirche und Gesellschaft agierte und textet.“ Christiane Florin sei eine scharfe Kritikerin der kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Scharfsinnig in ihrem Urteil, unabhängig und der Wahrheit verpflichtet in der Analyse, gehöre sie zu den mutigen Publizistinnen unserer Tage, eine kleine Prophetin dieser Zeit. In Folge des Missbrauchsskandals sei sie als kritische Aufklärerin eine zentrale und wichtige öffentliche Person, die nötige Reformen in der katholischen Kirche anmahne. Die Dirks-Jury ehre eine Frau und Christin, die seit Jahrzehnten mit Spirit und Verve und einem gutem Journalismus für die römisch-katholischen Machtverhältnisse und die Opfer dieser Machtverhältnisse sensibilisiere. Die untenstehenden Reden erschienen zuerst auf www.feinschwarz.net:
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