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"Die Nähe macht den Zauber aus"


Bischof Georg Bätzing auf der Festveranstaltung des 3. Ökumenischen Kirchentages. Foto: ÖKT / Philip Wilson

„Nach allem, was wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, ist es eine kleine Sensation, dass wir heute Abend hier sein können.“ Das sagte Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) beim offiziellen Festakt des 3. Ökumenischen Kirchentags, der noch bis Sonntag in Frankfurt zu Gast ist. Und es gibt wahrscheinlich wenige, die ihm in dieser Hinsicht widersprechen würden. Geplant, in Frage gestellt, immer wieder überarbeitet und schließlich fast komplett ins Digitale verlagert – so mancher würde es vielleicht sogar ein Wunder nennen.

Auch ÖKT-Präsident Thomas Sternberg, der gemeinsam mit Präsidentin Bettina Limperg die Zuschauer begrüßte, gab zu, der Weg bis zu diesem Abend sei „wirklich steinig“ gewesen. „Aber wir sind ans Ziel gekommen, wir wollten dieses Zeichen der Hoffnung setzen“, ergänzte Limperg.

Bei der einstündigen Festveranstaltung, die aus dem Studio im Kap Europa ausgestrahlt wurde, räumte Oberbürgermeister Feldmann ein: „Wir haben nach allem, was wir in den letzten Monaten erlebt haben, schon die Luft angehalten.“ Aber er sei sehr froh, dass man sich entschieden habe, den ÖKT nicht abzusagen, sondern digital stattfinden zu lassen. Denn das, was einen ÖKT ausmache, nämlich Nähe, Zuhören, gehe auch digital – selbst wenn die Umarmungen, die sonst dazugehörten, nicht möglich seien.


„Alles, was bisher galt, gilt nicht mehr“


Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) war ebenfalls persönlich ins Studio gekommen und zeigte sich froh und dankbar, dass der Ökumenische Kirchentag trotz allem stattfindet. „Die Botschaft des ÖKT richtet sich zunächst an Christinnen und Christen, aber eigentlich richtet sie sich an alle. Dieser Kirchentag ist besonders wichtig, weil wir seit 14 Monaten in einer Krisensituation gesellschaftlicher Art sind, die wir so noch nie erlebt haben, in der unsere Freiheiten eingeschränkt sind. Die Menschen brauchen Orientierung in einer Zeit, in der man das Gefühl hat, alles, was bisher galt, gilt nicht mehr.“ Auch mit Blick auf die gestrigen Ereignisse, auf Proteste gegen Israel, sagte Bouffier, dies zeige umso mehr, wie notwendig Orientierung gebraucht werde: „Das ist dringend geboten, deshalb bin ich froh, dass Sie und wir hier sind.“


Gemeinsam auf Wahrheitssuche


Die aktuellen Geschehnisse griff auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der digital zugeschaltet war, in seinem Grußwort auf. „Wir brauchen engagierte Christinnen und Christen und die Kirchen, um gegen die zunehmenden Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft anzugehen. Ich sehe mit Sorge, dass die Auseinandersetzungen in unserem Land mit immer größerer Verbitterung geführt werden. Zeigen wir als Christinnen und Christen, dass geduldiges Zuhören, vernünftiges Argumentieren und gemeinsame Wahrheitssuche wichtig und möglich sind“, so Steinmeier.

Oberbürgermeister Feldmann unterstrich, dass Frankfurt eine gute Kulisse für diesen besonderen Kirchentag sei, allein schon aufgrund seiner eigenen Geschichte. Die Stadt habe „immer wieder aufeinander aufgepasst und das Gemeinsame immer nach vorne gestellt.“ Bürgerinnen und Bürger aus 180 Nationen mit 200 Sprachen leben in Frankfurt, 53 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner haben einen internationalen Hintergrund. „In Frankfurt hat man immer verstanden, dass die Nähe von Mensch zu Mensch den Zauber ausmacht“, so Feldmann. „Das ist es, was uns nach dieser Pandemie sehr schnell wieder zusammenbringen wird.“

Bevor die Pandemie den ÖKT ins Digitale zwang, rechnete man mit mehr als 100.000 Besucherinnen und Besuchern. Fast ebenso viele sind nun digital dabei. Sie alle lud Ministerpräsident Bouffier ein, nach der Pandemie persönlich nach Frankfurt zu kommen und die hessische Gastfreundlichkeit kennenzulernen.


Spiegelnde Hochhausfassaden und historische Häuschen


Beim Festakt bekamen die, die noch nie persönlich in Frankfurt waren, einen guten Eindruck der hessischen Metropole und vielleicht wirklich Lust auf einen Besuch. So wurden zum Beispiel Drohnenaufnahmen eingespielt, die junge Menschen in Frankfurt gefilmt hatten. Zu sehen waren eindrucksvolle Bilder von historischen Häusern und verspiegelten Hochhausfassaden, von Glockentürmen und Brücken, Bäumen, Parks und Wäldern. „Eine tolle Stadt, in der wir hier zu Gast sein dürfen“, schwärmte Journalistin Dr. Claudia Nothelle, die die Festveranstaltung gemeinsam mit Dr. Julian Sengelmann, Pastor aus Hamburg, moderierte.

Stellvertretend für die gastgebenden Kirchen begrüßten Dr. Georg Bätzing, Bischof von Limburg, und Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, die Zuschauerinnen und Zuschauer. Jung deutete das ÖKT-Motto auf die Pandemie und die damit verbundene Digitalisierung der Großveranstaltung um: „Wir schauen hin, welche Möglichkeiten wir haben, und nutzen sie. Und das geht weit in die Welt hinaus.“


„Alle sollen spüren: Du bist hier herzlich willkommen!“

Bischof Bätzing sagte, die Kirchen sollten sich fragen, wo sie abseits des ÖKT hinschauen müssten: „Nämlich auf die großen Fragen der Gerechtigkeit.“ In Frankfurt, dieser internationalen Stadt, zeigten sich die entscheidenden Fragen der Zukunft deutlich: Klimagerechtigkeit, Impfgerechtigkeit, Armutsbewältigung und weitere – „das sind die Themen, denen wir uns stellen.“ Angesprochen auf die als „ökumenisch sensibel“ überschriebenen Gottesdienste am Samstagabend sagte Bätzing: „Wir wollen das, was wir feiern, besser verstehen und kennenlernen. Das ist das eigentliche Ziel der konfessionellen Gottesdienste unter dieser ökumenischen Sensibilität. Alle sollen spüren: Du bist hier herzlich willkommen!“

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