Es ist ein schönes Bild, wie die sieben Menschen auf dem Eisernen Steg zusammenkommen, sich verbeugen oder die Hand aufs Herz legen zur Begrüßung. Man spürt, dass sie sich sympathisch sind, dass sie miteinander sprechen, einander verstehen und Brücken finden können, um Trennendes zu überwinden. Der Ort für das Treffen mit Corona-Abstand ist natürlich nicht zufällig gewählt: Es steht sinnbildlich für den Dialog der Religionen. Und der ist in Frankfurt ausgesprochen lebendig! Vertreter aus katholischer und evangelischer Kirche, von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, aus Judentum, Hinduismus, Sikh, Islam und Ahmadiyya-Glauben nutzten gemeinsam die Gelegenheit, beim Ökumenischen Kirchentag für die wichtige Arbeit des Rates der Religionen zu werben. Durch den Dialog und die Zusammenarbeit der Religionen gelinge es in Frankfurt, das Verstehen zu fördern und Stereotype und Vorurteile zu überwinden, sagte der evangelische Stadtdekan Achim Knecht: „Wir teilen viele schöne Erinnerungen an Gastfreundschaft und Austausch, die uns verbinden und uns helfen, auch die Themen mit Konfliktpotenzial anzugehen, von denen es in einer Stadt wie Frankfurt natürlich einige gibt.“
Bejahte religiöse Vielfalt
Scheich Amir Nadji fügte an: „Gerade in Zeiten wie diesen sollten wir über interreligiöse Unterschiede hinwegsehen und aufeinander zugehen, um sicherzustellen, dass allen Menschen die Seelsorge zu Teil wird, die sie benötigen.“ Der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz ermutigte dazu, sich dem 2009 in Frankfurt gegründeten Rat der Religionen anzuschließen oder dem Beispiel zu folgen. Denn Räte der Religionen oder ähnliche Konzepte zur interreligiösen Zusammenarbeit gibt es mittlerweile überall in Deutschland. „Wir laden Sie herzlich ein, unsere guten Erfahrungen zu teilen. Vielleicht gehen ja auch Sie den Weg zu einer bejahten religiösen Vielfalt vor Ort“, so Johannes zu Eltz. Eine Stunde lang war die Religiöse Vielfalt Thema beim Ökumenischen Kirchentag am Samstagnachmittag. „In welcher Welt wollen wir leben?“ lautete die Frage dazu. Antworten kamen aus ganz Deutschland und spiegelten die unterschiedlichen Herangehensweisen. Sie alle einte der Aufruf zu einem ständigen persönlichen Dialog.
Frage eröffnen, die den Austausch spannend macht
Prof. Martin Rötting, Religionswissenschaftler an der Uni Salzburg, erinnerte daran, dass dieser Dialog nicht zwischen Religionen oder Religionssystemen stattfinde, sondern „zwischen Menschen, von Herz zu Herz, Geist zu Geist, mit all unseren Erfahrungen und Prägungen.“ Sein Tipp für den interreligiösen Austausch: „Der Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen braucht einen Anknüpfungspunkt. Am besten ist es im Alltag in einer ganz speziellen Situationen eine Gemeinsamkeit zu finden, über die wir uns austauschen, eine Frage zu eröffnen, die den Austausch spannend für uns macht. Dann bearbeiten wir unsere eigene spirituelle Identität, die ein Lebensweg-Navigationssystem ist. Wir müssen uns aktiv auf diesen interreligiösen Lernprozess einlassen.“
Gott ist der beste Beschützer
Über Angst sprach Nermina Idriz von der Islamischen Gemeinde Penzberg. Als 16-Jährige erlebte sie den Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien mit und verlor ihren jüngeren Bruder; heute habe sie Angst nach den Anschlägen von Hanau. „Doch diese Angst darf uns nicht lähmen, denn es gibt keine Alternative zum Leben in Vielfalt. Wir als gläubige Menschen haben das Wissen, dass Gott der beste Beschützer ist. Wir dürfen und müssen unsere Herzen öffnen.“ Dabei helfe es, Gemeinsamkeiten zu erkennen: Sowohl der Prophet Mohammed als auch Papst Franziskus riefen zum Beispiel zu Geschwisterlichkeit und Brüderlichkeit auf. „Nutzen wir diese schwere Zeit der Pandemie, in der wir nicht einander begegnen können, zur inneren Einkehr“, so ihr Aufruf. „Verbannen wir den Hass aus unseren Herzen. Holen wir uns Kraft von Gott. Hören wir dem Leid anderer zu und versuchen wir, einander nah zu sein.“
Viele Fettnäpfchen
Dunya Elemenler, Vorsitzende der Christlich-Islamischen Gesellschaft, betonte, interreligiöse Begegnungen seien ein zentrales Mittel, um Vielfalt sichtbar zu machen. Sie unterstrich aber auch, dass es dabei „viele Fettnäpfchen“ gebe. So habe es sie zum Beispiel sehr verletzt, dass der ÖKT auf einen der höchsten Muslimischen Feiertage gelegt worden sei: das Fastenbrechen. Doch durch Begegnungen und Gespräche habe sie verstanden, dass dies auch manche Christinnen und Christen traurig gemacht habe. „Die Wahrheit ist: Wir werden uns nie ganz verstehen können. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit dem interreligiösen und interkulturellen Dialog niemals aufhören!“, so ihr Appell.
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