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16. März 22 I Flucht aus dem Kriegsgebiet


Sozialdezernentin Elke Voitl im Gespräch mit Carsten Baumann von der Bahnhofsmission Foto: Stadt Frankfurt/Bernd Georg

Täglich kommen mehr als 1000 Menschen aus der Ukraine in der Bahnhofsmission Frankfurt an Es ist still an den Tischen in der Bahnhofsmission im Frankfurter Hauptbahnhof. Wo sonst Obdachlose ihren Kaffee trinken, sitzen Frauen und Männer in warmen Anoraks, lesen Nachrichten auf ihren Handys, sprechen leise miteinander. 1841 Menschen aus der Ukraine kamen am Dienstag in der Bahnhofsmission Frankfurt an. Manche brauchen nur ein kostenloses Ticket für die Weiterreise, andere bleiben über Nacht. „Um 10.30 Uhr kommen die Ersten an, bis 2 Uhr nachts sind wir hier das Frankfurter Ankunftszentrum für Menschen, die die Ukraine verlassen mussten“, sagt Diakon Carsten Baumann, der Leiter der Bahnhofsmission Frankfurt.

Hunde und Katzen reisen mit Schilder mit kyrillischer Schrift weisen Ankommenden aus der Ukraine den Weg durch den Frankfurter Hauptbahnhof zur Bahnhofsmission. „Die meisten sind bestens vernetzt, sie wissen, wo sie hingehen müssen“, sagt Baumann. Vor allem Frauen und Kinder kommen an, ältere Frauen und Männer sowie jüngere Männer, die aus anderen Ländern zum Studieren in die Ukraine gegangen waren. Viele bringen ihre Hunde, Katzen und andere Haustiere mit. Etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Reisenden möchten in Frankfurt bleiben, die anderen fahren weiter, viele nach Paris, nach Belgien, Amsterdam oder in andere deutsche Städte, in denen Verwandte oder Freunde leben.

Aufeinander warten, um sich nicht zu verlieren Carsten Baumann beißt schnell in sein Brot, immer wieder kommen Mitarbeiter, um etwas zu klären oder das Mobiltelefon klingelt. Nicht nur mit dem Zug reisen Schutzsuchende an, manche kommen auch mit dem Auto, einige verbrachten die ersten Nächte bei Bekannten auf der Couch und melden sich nun, weil es dort auf Dauer zu eng wird. An der Tür der Bahnhofsmission am Gleis 1 stehen ehrenamtliche Dolmetscher:innen, empfangen die Ankommenden, fragen, ob sie in Frankfurt bleiben oder weiterreisen möchten und bringen sie in entsprechende Räume, damit sie dort ihre Anliegen, begleitet von Dolmetscher:innen, in Ruhe klären können. Ein weiterer Raum ist für Reisende mit besonderen Problemen reserviert. Zum Beispiel für die Frau, die aus umkämpftem Gebiet mit Kriegsverletzungen in der Stirn und im Oberschenkel ankam: „Wir mussten schnell entscheiden, ob wir sie sofort ins Krankenhaus bringen“, sagt Baumann. Es treffen zudem viele ein, die unbedingt auf andere warten möchten, die noch nicht angekommen sind: „Sie haben Angst, sich sonst zu verlieren und nie mehr zu treffen. Leif Niklas Wulf, der Leiter des Bahnhofsmanagements Frankfurt am Main, stellt für alle, die länger warten müssen, die ehemalige „Cosmopolitan Lounge“ im ersten Obergeschoss über dem Querbahnsteig zur Verfügung. Die wird zwar gerade umgebaut, aber jetzt stehen dort Tische und Bänke für 220 Ankommende, Kästen mit Softgetränken, Malblöcke und Stifte für die Kinder, Lunchpakete und Kuchen für Hungrige.

Kostenlose Tickets für die Weiterfahrt Wer in Frankfurt bleiben möchte, wird mit Kleinbussen, die die FES oder die Johanniter zur Verfügung stellen, zu Unterkünften gebracht, die Bahnhofsmission hat die aktuellen Belegungslisten und steuert die Busse entsprechend. Für diejenigen, die nicht unterkommen oder sich vor der Weiterfahrt einen Tag ausruhen möchten, stellt die DB Sicherheit 50 Schlafplätze im Bahnhofsviertel in Schulungsräumen zur Verfügung. Für die Weiterfahrenden besorgen Mitarbeiter*innen der Bahnhofsmission kostenlose Tickets im DB Reisezentrum, „wir gehen mit den ukrainischen Pässen dorthin und buchen die Weiterfahrten, sei es nach Frankreich, Belgien oder anderswohin, circa 30-50 Tickets sind es am Tag“, schätzt Baumann. Innerhalb Deutschlands gilt das kostenlose „Help Ukraine Ticket“ der Deutschen Bahn.

Die Hoffnung auf schnelle Rückkehr Sprechen die Ankommenden über das, was sie bewegt? „Manche erzählen, aus welchem Gebiet der Ukraine sie kommen. Viele Frauen sagen, wie schlimm es ist, ohne ihre Männer oder Väter unterwegs sein zu müssen. Alle haben die Hoffnung, bald zurückkehren zu können. In der Zwischenzeit möchten sie sich in Deutschland schnell registrieren lassen, um Leistungen zu erhalten und arbeiten zu können.“

Sachspenden werden derzeit nicht benötigt Das Team der Bahnhofsmission, die das Diakonische Werk für Frankfurt und Offenbach und der Caritasverband Frankfurt e.V. gemeinsam tragen, wird derzeit personell und logistisch vom Frankfurter Verein für soziale Heimstätten e.V. unterstützt: „In den beiden Tagschichten sind es jeweils drei Mitarbeiter im Sicherheitsdienst, nachts vier Sicherheitskräfte des mit dem Frankfurter Vereins für soziale Heimstätten kooperierenden Sicherheitsdienstes VSD.“ Ein Mitarbeiter kommt vorbei und sagt: „Jemand möchte geschmierte Brote vorbeibringen…“, „Bitte lehnen Sie das freundlich ab“, antwortet Baumann. Derzeit braucht die Bahnhofsmission keine Sachspenden und auch das Team der Ehrenamtlichen ist bereits vollzählig. Was die Mitarbeitenden befeuert? „Es ist die ureigene Aufgabe der Bahnhofsmission, Menschen in Not Tag und Nacht zu helfen“, sagt Carsten Baumann. Und: „Wir sind da in Krisen, seit mehr als 125 Jahren.“

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