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Rausdrängen – am besten zum Nulltarif


In Pandemie-Zeiten ist der Zulauf der Mobbing-Kontaktstelle Frankfurt Rhein-Main rückläufig. Weniger geworden sind die Probleme der Arbeitnehmer:innen aber nicht.

„Wenn ich den Raum betrete, verstummen die Gespräche“, „der neue Chef hat mir meine Arbeit weggenommen und eine minderwertige Arbeit zugeteilt“ – Beschwerden wie diese sind in den vergangenen zwei Jahren zurückgegangen. Das merken auch die Ehrenamtlichen der Mobbing-Kontaktstelle für Frankfurt und Rhein-Main (MKS), die zum einen dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr eine Telefonhotline anbieten und zum anderen einmal im Monat einen Gesprächskreis.

Seltener klingelt das Telefon. Der Gesprächskreis des von evangelischer und katholischer Kirche sowie dem örtlichen DGB getragenen Angebots ist weniger nachgefragt in Corona- und Homeoffice-Zeiten. Gunter Volz, Pfarrer für gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Stadtdekanat Frankfurt und Offenbach, sieht das als ein vorübergehendes Phänomen: „Denn auch in Zeiten nach der Pandemie wird Mobbing nicht automatisch aus der Arbeitswelt verschwunden sein.“

Karin, sie heißt in Wahrheit anders, aber die Ehrenamtlichen bleiben anonym, fragt sich: „Haben die Leute weniger Probleme, weil man sich nicht sieht?“ Sigrid, eine pensionierte Kulturwissenschaftlerin, die wie die als Juristin tätige Karin regelmäßig am Telefon sitzt, meint zwar auch, „das kann schon sein“, aber die Probleme seien nicht geringer geworden. Gerade in diesen Krisenzeiten komme es zu Versuchen, unliebsame Mitarbeitende rauszudrängen. Vor allem werde probiert, Menschen nach Krankheiten abzuservieren, hat Sigrid beobachtet. Die Betroffenen riefen an, „wenn die Rückkehr an den Arbeitsplatz ansteht“.

Karin registriert, dass die Menschen, die sich bei der Mobbing-Hotline melden, weniger vor den Kolleg:innen fürchten als vor den Vorgesetzten. „Bossing“ nennt sie das, von oben werde versucht - und nicht gerade subtil -, die Menschen rauszudrängen, am liebsten zum Nulltarif, „die wollen keine Abfindung zahlen“, das gelte für alle Branchen. Rund 50 Prozent macht das Mobbing von oben aus, so die Statistik der MKS.

Bestätigt hat die jüngste Erhebung: Die Anrufenden sind zum überwiegenden Teil weiblich, 80 Prozent wurden verzeichnet, zuvor lag der Anteil ein paar Prozentpunkte darunter. Wie bislang machen die 30 bis 45-Jährigen mit 35 Prozent die größte Gruppe aus, gefolgt von den 45- bis 50-Jährigen mit rund 30 Prozent. Ähnlich dann noch mal der Anteil derer über 50.

Unverändert belegt neben dem Pflege- und Sozialbereich der Dienstleistungs- und Finanzsektor den Löwenanteil. In der Industrie waren 2021 nur zehn Prozent der Hilfesuchenden angestellt. Das Gros komme aus Frankfurt, aber auch aus München, Hamburg oder Stuttgart riefen schon mal Leute an, erzählt Karin, die sich seit 2013 bei der Mobbing-Kontaktstelle engagiert. „Wir sind keine Therapeuten“ und „wir sind keine Telefonseelsorge“, diese Aussage wiederholen Karin und Sigrid im Laufe des Interviews mehrfach. Bei der Mobbing-Kontaktstelle geht es explizit um Krisen im Berufsleben. Listen aus dem Rhein-Main-Gebiet von Ärzten und Juristen, liegen neben denen von Coaches. Hinweise auf arbeitsrechtliche Grundlagen haben die Ehrenamtlichen, die hier Dienst tun, genauso parat wie Adressen von Psycholog:innen.

Einmal im Monat trifft sich der Gesprächskreis, aktuell im Dominikanerkloster unweit der Konstablerwache. Feste Regeln gelten bei den Runden, dazu zählt Verschwiegenheit. Chefs und Firmen werden nicht näher bezeichnet. Eine Anmeldung ist erforderlich, die Teilnahme kostet 5 Euro.

Volz freut sich, dass trotz widriger Bedingungen 2021 nicht nur ein neuer Werbeflyer aufgelegt werden konnte, sondern auch acht Personen zusammenkamen, um sich für den Telefondienst schulen zu lassen, darunter eine Juristin, Beschäftigte aus dem sozialen und pädagogischen Bereich und zwei Mediatorinnen. Zu den Qualifizierungsbausteinen gehörten Ende des vergangenen Jahres „Was ist Mobbing? “und „Arbeitsrechtliche Grundlagen“. Anfang des Jahres standen „Telefontraining“ und das „Reflexionsmodul des eigenen Konfliktverhaltens“ auf dem Lehrplan des unlängst abgeschlossenen Kurses, der erstmals den Baustein „Cybermobbing“ enthielt.

Das von dem evangelischen Theologen sowie Roberta Weber vom DGB und Ute Schäfer von der Katholischen Erwachsenenbildung koordinierte Ehrenamtlichen-Team umfasst jetzt rund 20 Personen. Roberta Weber und Ute Schäfer sind sich einig: „Die Träger der Mobbing-Hotline Frankfurt-Rhein-Main stehen alle für „Fair-Play“ am Arbeitsplatz. Wenn sich die Konflikte aus dem heimischen Wohnzimmer jetzt wieder ins Büro verlagern werden, wollen wir mit der Mobbing-Hotline Betroffenen als kompetente Berater:innen zur Seite stehen.“

Weitere Informationen unter: www.mobbing-frankfurt.de

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