Frankfurt/ Limburg.- Von keinem anderen deutschen Flughafen werden so viele Menschen abgeschoben wie vom Flughafen Frankfurt am Main. Coronabedingt ist die Zahl der Abgeschobenen im Jahr 2020 zwar auf 2.863 zurückgegangen. Im Jahr 2019 waren es noch 7.311 Menschen, die vom Flughafen Frankfurt abgeschoben wurden. „Hinter diesen Zahlen stehen vielfältige menschliche Schicksale, auf die die Abschiebungsbeobachtung jedes Jahr hinweist“, erklärt Jörg Klärner, Vorstand des Caritasverbandes für die Diözese Limburg e.V. Gemeinsam mit dem Diakonischen Werk für Frankfurt und Offenbach ist der Caritasverband für die Diözese Limburg Träger der Abschiebungsbeobachtung am Frankfurter Flughafen. „Die überwiegende Zahl der beobachteten Abschiebungen durch die Bundespolizei wurde mit professioneller Distanz und Respekt für die Betroffenen vollzogen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde gewahrt. Dennoch können für die Betroffenen höchst problematische Situationen entstehen, auf die wir schauen müssen. Das sind Abschiebungen, bei denen Kinder betroffen sind, bei denen Familien getrennt werden oder Abschiebungen kranker oder vulnerabler Menschen“, so Klärner.
Gerade das Kindeswohl spielt im jetzt veröffentlichten Tätigkeitsbericht der Abschiebungsbeobachtung eine große Rolle. „Kinder leiden besonders unter der Abschiebung, da das Erleben einer Abschiebung per se ein sehr belastendes, potentiell traumatisierendes Ereignis ist. Eigentlich müssen Kinder in einer solchen Extremsituation besonders geschützt werden. Stattdessen erleben sie in solchen Situationen mitunter die Trennung ihrer Familie oder die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber ihren Eltern“, erläutert Pfarrer Michael Frase, Leiter des Diakonischen Werkes für Frankfurt und Offenbach.
Nach Auffassung der Abschiebungsbeobachter Melisa Ergül-Puopolo und Raphael Schulte-Kellinghaus widerspreche auch der Einsatz von Kindern als Sprachmittler bei Abschiebungen dem Kindeswohl. Das stelle gerade dann eine extreme und nicht zumutbare Belastung dar, wenn die Kinder angedrohte Zwangsmaßnahmen ihren Eltern gegenüber übersetzen sollten.
Versorgung von kranken Menschen im Zielland ungewiss
Bei der Abschiebung von kranken Menschen stellen sich nicht nur Fragen nach ihrer Reisefähigkeit, sondern auch nach ihrer Versorgung im Zielland. Dieser Problemkomplex ist ein wiederkehrendes Thema, welches sich jedoch seit 2016 infolge mehrerer gesetzlicher Restriktionen für Ausreisepflichtige zunehmend verschärft hat. Ist medizinisches Fachpersonal an einer Abschiebung beteiligt, stellt sich für die Abschiebungsbeobachtung die Frage nach ihrer Rolle, da die Mediziner:innen einerseits einen behördlichen Auftrag erfüllen sollen, sich andererseits aber auch durch Anamnese, Betreuung und Behandlung der Abzuschiebenden in einem Arzt-Patienten-Verhältnis zu diesen befinden. Dies könnte zu einem Interessenskonflikt führen.
Abschiebung zu Pandemiezeiten führt zu erhöhtem Risiko für alle Beteiligten
Abschiebungen lassen sich auch mit den von den Behörden eingeführten Hygienekonzepten nicht so durchführen, dass alle bundesweit allgemeingültigen Standards eingehalten werden. Bei Sammelmaßnahmen konnten beispielsweise Abstände im Terminal und im Wartebereich, wo sich die Menschen über Stunden aufhielten, nicht immer eingehalten werden. Nicht alle Abzuschiebenden waren auf eine Corona-Erkrankung getestet, auch wenn immer eine Symptomprüfung stattfand. Eine Abschiebung in der Pandemie bedeutet trotz der etablierten Hygienemaßnahmen erhöhte Infektionsrisiken für alle am Prozess beteiligten Personen.
Hintergrund: Abschiebungsbeobachtung am Frankfurter Flughafen
Ziel der seit 2006 arbeitenden Abschiebungsbeobachtung ist es, die Praxis von Abschiebungen zu beobachten, um Transparenz in einem nicht allgemein zugänglichen und öffentlich nicht kontrollierten Bereich staatlichen Handelns herzustellen sowie um die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und die Wahrung humanitärer Prinzipen zu überwachen. Träger der Abschiebungsbeobachtung sind das Diakonische Werk für Frankfurt und Offenbach und der Caritasverband für die Diözese Limburg e.V.
Begleitet wird die Arbeit der Abschiebungsbeobachter:innen durch das Forum Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt (FAFF). Mitglieder des Forums sind unter anderem Vertreter:innen der Kirchen, der Bundespolizei, der zuständigen Ministerien in Hessen und Rheinland-Pfalz und von Flüchtlingsorganisationen. Dort berichtet die Abschiebungsbeobachtung regelmäßig über ihre Arbeit und stellt Einzelfälle vor, die im Forum besprochen und bewertet werden.
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